Deutschland - Wirtschaft und Landnutzung

Deutschland - Wirtschaft und Landnutzung
978-3-14-100850-0 | Seite 26 | Abb. 1| Maßstab 1 : 2250000

Überblick

Im komplexen regionalen Gefüge entwickelter Volkswirtschaften durchkreuzen sich in allen Wirtschaftsbereichen Einflüsse des politischen Systems, die Einbindung in die globalisierte Weltwirtschaft, fortwirkende historische Impulse, Innovationen und private Initiativen wie auch Wirkungen geographischer Lagebeziehungen und der örtlichen Ressourcenausstattung. Dies zeigt die Karte durch den Filter einer starken Generalisierung. Sie zeigt das Gewicht der Verdichtungsräume: Sie sind Zentren von Konsum und Produktion, von Forschung und Entwicklung und damit häufig auch Ausgangspunkte von Innovationen. In ihnen werden Entscheidungen getroffen, und sie sind Schaltstellen der Investitionen. In den Verdichtungsräumen mit ihrer breiten Wirtschaftsstruktur sind die Verflechtungen zwischen Industrie und Dienstleistungen am intensivsten ausgeprägt — ein wichtiger Standortvorteil. Verkehrs- und Transportachsen verknüpfen und versorgen diese Wirtschaftszentren.

Die Karte zeigt neben den Standorten der Industrie und des Dienstleistungssektors sowie der Verkehrsinfrastruktur auch die Bodenbedeckung (zum Beispiel Wald) und die Bodennutzung durch Ackerbau und Grünlandwirtschaft.

Junge und alte Industrien

Als Standorte der Elektrotechnik/Elektronik und der Luft- und Raumfahrtindustrie sind vor allem die großstädtischen Hightech-Regionen und Innovationszentren in Süddeutschland (Stuttgart, München oder Erlangen/Nürnberg) zu erkennen, im Norden hauptsächlich Hamburg und Bremen.

Eine fortgeschrittene räumliche Ausbreitung repräsentieren die Wachstumsindustrien der Nachkriegszeit wie Maschinenbau, Automobilindustrie und chemische Industrie. Fast alle Verdichtungsräume haben Standorte der Elektrotechnik und des Maschinenbaus aufzuweisen. Die Stammsitze von Großunternehmen sind nicht nur wichtige Produktionsstätten. An ihnen werden schwerpunktmäßig neue Produkte entwickelt, die Zulieferbeziehungen und der Vertrieb organisiert, Marketingmaßnahmen geplant und umgesetzt und nicht zuletzt Entscheidungen für andere Unternehmensstandorte weltweit getroffen. Dies gilt etwa bei der Automobilindustrie. Bei der chemischen Industrie gelten etwas andere Bedingungen. Innerbetriebliche Verbundvorteile bedingen, dass Chemiewerke oft am Standort der ursprünglichen Gründung weiter wachsen solange noch Platz verfügbar ist. Für sie sind die Verkehrslage und Verfügbarkeit von Nutzwasser bedeutsame Faktoren.

Bei einigen führenden Industrien der frühindustriellen Zeit wie der Eisen- und Metallerzeugung, aber auch bei manchen Zweigen der Konsum- und Nahrungsgüterindustrien liegen Innovation und Ausbreitung schon lange zurück. Das heutige Verteilungsmuster der Standorte spiegelt eher schon den Rückzug und die allgemeine Konzentration wider. Für die traditionellen Standorte dieser Industrien wie das Ruhrgebiet spielte oft die Nähe zu Rohstoffvorkommen eine entscheidende Rolle. Dieser Faktor ist heute dank stark gesunkener Transportkosten und hoher Transportkapazitäten meist nicht mehr entscheidend. Die verkehrsgünstige Lage ist – neben innovativen Produkten und modernen Produktionsanlagen – für das Überleben von Unternehmen ungleich bedeutender. Nicht alle Industrien aus der Frühphase der Industrialisierung unterliegen aber Schrumpfungstendenzen. Dies zeigt beispielsweise der Maschinenbau, der in der deutschen Wirtschaft und im Außenhandel unvermindert eine zentrale Bedeutung hat.

Der Dienstleistungssektor

Die Standorte der öffentlichen Verwaltung entstehen im Ergebnis politischer Entscheidungen, wobei Aspekte der räumlichen Entwicklung mit dem Ziel der Vermeidung bzw. des Abbaus von ungerechtfertigten Entwicklungsunterschieden berücksichtigt werden. Verwaltungseinrichtungen des Bundes sind deshalb nicht nur in der Hauptstadt Berlin und der Bundesstadt Bonn zu finden, sondern dezentral im gesamten Bundesgebiet. Die Verwaltungseinrichtungen der Länder machen die Landeshauptstädte zu Zentren dieser Dienstleistungsbranche. Universitäten und Hochschulen sind an traditionellen Standorten zu finden oder entstehen neu im Ergebnis politischer Entscheidungen. Universitäten und Hochschulen sind räumlich dezentral in allen Teilen Deutschlands zu finden. Wichtigste Standorte sind der Verdichtungsraum Rhein-Ruhr, München, Hamburg, Münster und Berlin. Hinzu kommen auch Standorte wie Heidelberg, Jena, Tübingen oder Marburg. Medienunternehmen sind auf wenige Hauptstandorte (Rhein-Main-Neckar, München, Rhein-Ruhr, Berlin/Potsdam, Hamburg) und wenige, aber bedeutsame Nebenstandorte (zum Beispiel Gütersloh) konzentriert.

Die großen Handelsunternehmen zeigen eine Konzentration auf zwei besonders verkehrsgünstig gelegene Hauptstandorte: Rhein-Ruhr und Hamburg. Großhandelsunternehmen (mit Tendenz zur Konzentration) müssen von Einzelhandelsunternehmen mit Tendenz zur verbraucherorientierten räumlichen Verteilung unterschieden werden. Eines der weltweit bedeutendsten Finanzzentren ist Frankfurt am Main (Börse, Banken, Bundesbank, Europäische Zentralbank). Es übertrifft in seiner Bedeutung die wenigen Nebenstandorte in Deutschland. Die Konzentration in Frankfurt am Main hat unter anderem historische, politische und Verkehrsgründe. Unternehmensnahe Servicedienstleistungen sind innerhalb der Wirtschaft von besonderer, stark zunehmender Bedeutung. So bestehen oft Verflechtungen zur Industrie. Sie umfassen zum Beispiel Beratung, Recht, Forschung und Produktentwicklung, Werbung/Marketing und Softwareentwicklung. Unternehmensnahe Dienstleistungen zeigen eine Tendenz zur Konzentration auf wenige Hauptstandorte mit moderner Wirtschaftsstruktur (München, Rhein-Main-Neckar, auch Rhein-Ruhr und Berlin). Die bedeutendsten Messestandorte sind Berlin, Hannover, Frankfurt am Main, Köln, Düsseldorf und München.

M. Felsch, W. Ritter, E. Astor

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