Deutschland - Wirtschaft

Deutschland - Deutschland - Wirtschaft
978-3-14-100770-1 | Seite 76 | Abb. 1| Maßstab 1 : 2250000

Informationen

Im komplexen regionalen Gefüge entwickelter Volkswirtschaften durchkreuzen sich in allen Wirtschaftsbereichen Einflüsse des politischen Systems, die Einbindung in die globalisierte Weltwirtschaft, fortwirkende historische Impulse, Innovationen und private Initiativen wie auch Wirkungen geographischer Lagebeziehungen und der örtlichen Ressourcenausstattung. Dies zeigt die Karte durch den Filter einer starken Generalisierung. Sie zeigt das Gewicht der Verdichtungsräume: Sie sind Zentren von Konsum und Produktion, von Forschung und Entwicklung und damit häufig auch Ausgangspunkte von Innovationen. In ihnen werden Entscheidungen getroffen, und sie sind Schaltstellen der Investitionen. In den Verdichtungsräumen mit ihrer breiten Wirtschaftsstruktur sind die Verflechtungen zwischen Industrie und Dienstleistungen am intensivsten ausgeprägt – ein wichtiger Standortvorteil. Verkehrs- und Transportachsen verknüpfen und versorgen diese Wirtschaftszentren.

Junge und alte Industrien
Als Standorte der Elektronik sowie der Luft- und Raumfahrtindustrie sind v. a. die großstädtischen Innovationszentren in Süddeutschland (wie Stuttgart, München, Erlangen/Nürnberg, Dresden) zu erkennen, im Norden Hamburg und Bremen. In den neuen Bundesländern ist es die Solarindustrie, die an Standorten wie Dresden, Frankfurt/Oder und Berlin vertreten ist und stark expandiert.
Einen weit fortgeschrittenen Stand der räumlichen Ausbreitung repräsentieren die Wachstumsindustrien der Nachkriegszeit wie Elektrotechnik, Maschinenbau, Automobilindustrie und Chemische Industrie. Fast alle Verdichtungsräume haben Standorte der Elektrotechnik und des Maschinenbaus aufzuweisen. Hinter den Signaturen können sich hinsichtlich der Stellung in einem Unternehmen recht unterschiedliche Betriebe verbergen. Bei Investitionen in Produktionsstätten und Zulieferbetriebe sind regionalbezogene Fördermaßnahmen, die Infrastruktur und qualifiziertes Fachpersonal entscheidende Faktoren. Die Stammsitze von Großunternehmen sind dagegen nicht nur wichtige Produktionsstätten. An ihnen werden schwerpunktmäßig neue Produkte entwickelt, die Zulieferbeziehungen und der Vertrieb organisiert, Marketingmaßnahmen geplant und umgesetzt und nicht zuletzt Entscheidungen für andere Unternehmensstandorte weltweit getroffen. Dies wird etwa bei der Automobilindustrie deutlich (BMW in München bzw. Berlin, Dingolfing, Regensburg und Leipzig). Bei der Chemischen Industrie gelten etwas andere Bedingungen. Innerbetriebliche Verbundvorteile bedingen, dass Chemiewerke oft am Standort der ursprünglichen Gründung weiter wachsen solange noch Platz verfügbar ist. Für sie sind die Verkehrslage und Verfügbarkeit von Nutzwasser bedeutsame Faktoren.
Bei einigen führenden Industrien der frühindustriellen Zeit wie der Eisen- und Metallerzeugung, aber auch bei manchen Zweigen der Konsum- und Nahrungsgüterindustrien liegen Innovation und Ausbreitung schon lange zurück. Das heutige Verteilungsmuster der Standorte spiegelt eher schon den Rückzug und die allgemeine Konzentration wider. Für die traditionellen Standorte dieser Industrien wie das Ruhrgebiet spielte oft die Nähe zu Rohstoffvorkommen eine entscheidende Rolle. Dieser Faktor ist heute dank stark gesunkener Transportkosten und hoher Transportkapazitäten meist nicht mehr entscheidend. Die verkehrsgünstige Lage ist – neben innovativen Produkten und modernen Produktionsanlagen – für das Überleben von Unternehmen ungleich bedeutender. Dass Betriebe ohne ihre frühere Rohstoffbasis weiterleben können, zeigen Standorte wie Salzgitter bei der Stahlerzeugung. Nicht alle Industrien aus der Frühphase der Industrialisierung unterliegen aber Schrumpfungstendenzen. Dies zeigen z. B. der Schienenfahrzeugbau, in dem die Entwicklung und Produktion zeitgemäßer Fahrzeuggenerationen ausgesprochen technologie- und wissensintensiv ist, und der Maschinenbau, der in der deutschen Wirtschaft und im Außenhandel unvermindert eine zentrale Bedeutung hat.

Der Dienstleistungssektor
Öffentliche Verwaltung. Ihre Standorte entstehen im Ergebnis politischer Entscheidungen, wobei Aspekte der räumlichen Entwicklung mit dem Ziel der Vermeidung bzw. des Abbaus von ungerechtfertigten Entwicklungsunterschieden berücksichtigt werden. Verwaltungseinrichtungen des Bundes sind deshalb nicht nur in der Hauptstadt Berlin und der Bundesstadt Bonn zu finden, sondern dezentral im gesamten Bundesgebiet. Die Verwaltungseinrichtungen der Länder machen die Landeshauptstädte zu Zentren dieser Dienstleistungsbranche.
Universitäten und Hochschulen. Sie sind an traditionellen Standorten zu finden oder entstehen neu im Ergebnis politischer Entscheidungen. Universitäten und Hochschulen sind räumlich dezentral in allen Teilen Deutschlands zu finden. Wichtigste Standorte sind der Verdichtungsraum Rhein-Ruhr, München, Hamburg, Münster und Berlin.
Medienunternehmen. Sie sind auf wenige Hauptstandorte (Rhein-Main-Neckar, München, Rhein-Ruhr, Berlin/Potsdam, Hamburg) und wenige, aber bedeutsame Nebenstandorte (z. B. Gütersloh) konzentriert.
Logistik. Die großen Handelsunternehmen zeigen eine Konzentration auf zwei besonders verkehrsgünstig gelegene Hauptstandorte: Rhein-Ruhr und Hamburg. Großhandelsunternehmen (mit Tendenz zur Konzentration) müssen von Einzelhandelsunternehmen mit Tendenz zur verbraucherorientierten räumlichen Verteilung unterschieden werden.
Finanzzentren. Eines der weltweit bedeutendsten Finanzzentren ist Frankfurt am Main (Börse, Banken, Bundesbank, Europäische Zentralbank). Es übertrifft in seiner Bedeutung die wenigen Nebenstandorte in Deutschland. Die Konzentration in Frankfurt/M. hat u. a. historische, politische und Verkehrsgründe.
Service. Unternehmensnahe Dienstleistungen sind innerhalb der Wirtschaft von besonderer, stark zunehmender Bedeutung (u. a. Verflechtungen zur Industrie). Sie umfassen z. B. Beratung, Recht, Forschung und Produktentwicklung, Werbung/Marketing. Unternehmensnahe Dienstleistungen zeigen eine Tendenz zur Konzentration auf wenige Hauptstandorte mit moderner Wirtschaftsstruktur (München, Rhein-Main-Neckar, auch Rhein-Ruhr und Berlin).
Messen. Hauptstandorte sind Berlin, Hannover, Frankfurt/M. und München.
M. Felsch, W. Ritter

Schlagworte