Deutschland - Natürliche Bevölkerungsentwicklung

Deutschland - Deutschland
978-3-14-100870-8 | Seite 76 | Abb. 4

Überblick

Die Grafik zeigt einen anhaltenden Rückgang der Sterberate zwischen 1900 und dem Jahr 2000, der wesentlich auf verbesserte Lebensbedingungen breiter Bevölkerungsschichten und den Zugang zu einer hochwertigen Gesundheitsversorgung zurückzuführen ist. Allerdings schnellte in beiden Weltkriegen die Sterberate nach oben. Gegenwärtig steigt die Sterberate langsam an - eine Folge der veränderten Altersstruktur der Bevölkerung.

Die Geburtenrate lag um 1900 noch sehr hoch, um dann bis zum Ersten Weltkrieg stark zurückzugehen - stärker als die Sterberate im gleichen Zeitraum. Es besteht ein sehr starker Geburtenüberschuss in einer demographisch sehr jungen Gesellschaft (s. pyramidenförmige Bevölkerungsverteilung 1900). Der Erste Weltkrieg wirkte sich mit einem sehr tiefen Einschnitt auf die demographische Entwicklung aus. Nach seinem Ende stieg die Geburtenrate wieder auf das Vorkriegsniveau, um in den Folgejahren dem Vorkriegstrend zu folgen und weiter stark abzunehmen. Die wirtschaftliche Krise Anfang der 1930er-Jahre und der Zweite Weltkrieg zeichnen sich wiederum als Einschnitte ab. Die Entwicklung zwischen 1945 und der Mitte der 1960er-Jahre war relativ stabil. Quantitativ starke Jahrgänge, geboren zwischen 1933 und 1940, wurden nun selbst Eltern, sodass die Geburtenrate sogar noch einmal stieg. Mitte der 1960er-Jahren begannen die Geburtenzahlen zurückzugehen. Die potenzielle Elterngeneration entstammte nun zunehmend geburtenschwachen Jahrgängen (infolge der Weltkriege), dies führte zu rasch sinkenden Geburtenraten. Da diese Entwicklung zeitgleich mit der Einführung der Antibabypille einsetzte, wurde sie zunächst als Pillenknick bezeichnet. Allerdings lässt sich hier kein kausaler Zusammenhang herstellen.

Das Jahr 1972 markiert einen Einschnitt, denn erstmals - sieht man von den Weltkriegen ab - war die Anzahl der Geborenen niedriger als die der Sterbefälle (Gestorbenenüberschuss). Ausgeprägt war diese Tendenz vor allem in der Bundesrepublik, während es in der DDR in den 1980er-Jahren noch vereinzelt Jahrgänge mit einem geringen Geburtenüberschuss gab. Mit der Wiedervereinigung traten auch in den neuen Bundesländern flächendeckend - zum Teil erhebliche - Sterbefallüberschüsse ein. Gegenwärtig ist die Geburtenrate stabil bzw. entwickelt sich leicht positiv. Allerdings nimmt das Geburtendefizit wegen der schneller steigenden Sterberate weiter zu. Dies führt zu einer negativen natürlichen Bevölkerungsentwicklung in den meisten Teilen Deutschlands und zu einer Urnenform der Bevölkerungsverteilung.

Bevölkerungspyramiden

Die Pyramidenform im Jahr 1900 ist Ausdruck einer generellen und stetigen Bevölkerungszunahme, die nach dem Modell des demographischen Übergangs als früh- bzw. hochtransformative Phase einzuordnen ist. Die Geburtenrate ist hoch, und die Sterberate sinkt. Das natürliche Bevölkerungswachstum ist daher hoch, die Bevölkerungszahl aber deutlich niedriger als heute. Die Form der Bevölkerungspyramide erinnert an eine Pyramide.

Die Form der Bevölkerungspyramide 2015 zeigt dagegen die Form einer Urne. Die zahlenmäßig stärksten Altersgruppen sind die der etwa 50-Jährigen ("Urnenkranz"). Bei den unter 50-Jährigen wird die Zahl der Menschen je 5-Jahresgruppe mit abnehmendem Alter immer kleiner. Die Geburten- und Sterberate sowie das natürliche Bevölkerungswachstum sind gering. Die Bevölkerung hat mit 81,2 Mio. ihren Höchststand erreicht bzw. gerade überschritten. Nach dem Modell des demographischen Übergangs ist der gegenwärtige Zustand als spät- bzw. posttransformative Phase einzuordnen.

In der projektierten Altersstruktur des Jahres 2050 verschiebt sich der Urnenkranz in die Altersgruppe der etwa 65-Jährigen. Die Gesamtbevölkerung wird sich bis zu diesem Zeitpunkt auf 71,5 Mio. Einwohner verringern, wenn nicht ein deutlich positiver Außenwanderungssaldo die Tendenz der negativen natürlichen Bevölkerungsentwicklung ausgleichen sollte.

Insbesondere die Bevölkerungspyramide 2015 zeigt die Auswirkungen zweier Weltkriege auf den Altersaufbau der Bevölkerung. Darin fallen besonders die vergleichsweise niedrigeren Anteile der 65- bis 70-Jährigen auf, in denen sich die Geburtenausfälle im Zweiten Weltkrieg widerspiegeln. Aber auch die vergleichsweise niedrigen Anteile der 35-bis 40-Jährigen sind deutlich erkennbar. Dabei überlagern sich zwei Effekte: Zum einen ist die Generation potenzieller Eltern relativ klein gewesen (s. o.), zum anderen wirken sich hier eine Reihe von gesellschaftlichen Veränderungen aus, die zu einem Sinken der Geburtenrate geführt haben.

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