Curitiba - Nachhaltiges Verkehrskonzept

Amerika - Brasilien - Entwicklung und Nachhaltigkeit
978-3-14-100800-5 | Seite 236 | Abb. 2| Maßstab 1 : 125000

Überblick

Die Hauptstadt des Bundesstaates Paraná im Süden Brasiliens zeichnet sich seit den 1970er-Jahren durch eine zukunftsorientierte Stadtentwicklungsplanung aus, die auch international große Beachtung fand. Zentrale Aspekte sind dabei neben dem Stadtentwicklungsplan die damit in Verbindung stehende Flächennutzungsplanung und die Verkehrsplanung. In jüngster Vergangenheit haben einerseits Umweltaspekte wie der Ausbau von Parkanlagen, die Umweltbildung und die Abfallentsorgung mit Wertstofferfassung und zum anderen soziale Kriterien wie die Bildung und die Jugend- und Altenfürsorge eine zentrale Rolle gespielt. Heute gilt Curitiba (2010: 1,8 Mio. Einwohner), das sich als „ökologische und soziale Hauptstadt Brasiliens“ bezeichnet, als Modellfall für eine nachhaltige Stadtentwicklung.

Stadtplanung und Flächennutzung

In den 1960er-Jahren, Curitiba zählte noch keine 500 000 Einwohner, entstanden erste Pläne, das kontinuierliche Wachstum der Stadt in kontrollierte Bahnen zu lenken, den ausufernden Verkehr einzudämmen und das architektonische Erbe zu bewahren. Die Flächennutzungsplanung ab den 1970er-Jahren nahm diese Leitlinien auf.

Bei der Wohnbebauung wechseln lockere und dichte Bebauung, wobei die insgesamt vier Bebauungsklassen Verschiedenheiten bei Nutzungseinschränkungen sowie bei Geschossflächen- und Grundflächenzahl vorweisen. Von zentraler Bedeutung für die Angehörigen der unteren Mittelschicht und der Unterschicht ist der kommunale und staatliche Sozialwohnungsbau. Entgegen dem Prinzip der strengen Nutzungstrennung (s. 237.6) ist vielerorts ein Nebeneinander von Wohnen und Arbeiten mit Einzelhandels- und kleinen Gewerbebetrieben möglich. Stärker abgegrenzt sind dagegen die Industriegebiete. Die älteren Industrieanlagen liegen entlang der ehemaligen Bundesstrasse im Stadtteil Hauer, die neuen konzentrieren sich im Südwesten in der „Cidade Industrial“.

Wie in anderen brasilianischen Städten gibt es auch in Curitiba eine hohe Zahl informeller Armensiedlungen (Favelas), die vor allem am Stadtrand und im Süden der Stadt liegen. Typisch ist die zeitliche Abfolge von illegaler Landnahme, schlechten Lebensbedingungen sowie unterentwickelter Infrastrukturausstattung und langsamer Konsolidierung, zum Beispiel durch Legalisierung des Bodenbesitzes und Infrastrukturmaßnahmen.

Die Geschäftszentren im Stadtgebiet, unter anderem das historische Zentrum, zeichnen sich durch Mischnutzung mit Handel, Stadtverwaltung und den administrativen Einrichtungen des Bundesstaats Paraná aus. Berühmt ist Curitiba für seine öffentlichen Grünflächen und Parkanlagen, die seit den 1970er-Jahren im Stadtgebiet eingerichtet wurden. Durch sie stehen gegenwärtig mehr als 50 m² Grünfläche pro Einwohner zur Verfügung.

Innovationen bei Verkehr und Bildung

Auf das dynamische Wachstum in den 1960er-Jahren reagierten die Planer in Curitiba mit einem forcierten Ausbau der Verkehrsinfrastruktur, die auf eine Eindämmung des Straßenverkehrs zielte. Zu diesem Zweck wurde zum einen die Straßenführung verändert, vor allem aber entwickelte die Stadt ein weit verzweigtes Busnetz, in dem verschiedene Bustypen, die jeweils farblich markiert sind, je eigene Verkehrsaufgaben übernehmen. Die entlang der Entwicklungsachsen verkehrenden Expressbuslinien verfügen über eigene Fahrspuren und eine hohe Beförderungskapazität und dienen damit als eine Art „oberirdischer Metro“. Sie waren zum Beispiel Vorbild für die Transmilenio-Linien in Bogotá (s. 229.6).

Dank des engmaschigen Streckennetzes des öffentlichen Verkehrs lassen sich alle Punkte der Stadt zu einem Einheitspreis mit diesen öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen. Alternativ zu Bus und Pkw gibt es in Curitiba ein weit verzweigtes Radwegenetz.

Neben der Dezentralisierung war die Versorgung mit technischer und sozialer Infrastruktur ein zentrales Element der Stadtentwicklungsplanung. Aufsehen erregt Curitiba unter anderem durch seine innovativen Abfallentsorgungsmethoden, bei denen die Umweltbildung eine zentrale Rolle spielt. Die Wertstoffsammlung wird flächendeckend durchgeführt, in Unterschichtvierteln unter anderem in Form des „grünen Tauschs“ von Wertstoffen gegen Lebensmittel.

In einer Vielzahl der kommunalen Schulen wurden Bibliotheken eingerichtet, vor allem in peripheren Stadtvierteln der Unterschicht. Ergänzt werden diese Maßnahmen durch weitere Initiativen wie die Einrichtung öffentlich zugänglicher Bildungszentren, den sogenannten Leuchttürmen des Wissens, die neben Büchern auch einen öffentlichen Internetzugang bieten und die im Stadtbild an ihren angebauten Leuchttürmen weithin zu erkennen sind.

Ein wichtiger Beitrag zur Dezentralisierung war die Einrichtung dezentraler Verwaltungszentren, sogenannter Bürgerstraßen, in denen den Bewohnern der jeweiligen Stadtregion die Dienste der Kommunalverwaltung zur Verfügung stehen. Curitiba bezeichnet sich seit ihrer Einrichtung als die „Stadt der kurzen Wege“.

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