Ciudad Juárez (Mexiko) - Maquiladora-Industrie

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978-3-14-100800-5 | Seite 268 | Abb. 2| Maßstab 1 : 250000

Überblick

An der Nordgrenze Mexikos boomte nach der Jahrtausendwende die Industrie. Ciudad Juárez, die größte der Städte an Mexikos Grenze zu den USA, wurde zur „Hauptstadt der Maquiladora“. Die zunehmende Zahl an Maquiladora-Betrieben zeigt, dass sich diese Entwicklung in bestimmter Hinsicht fortsetzt, allerdings belegen die gegenwärtig rückläufigen Beschäftigtenzahlen zum einen Abhängigkeiten von der Konjunktur in den USA (Wirtschaftskrise ab 2008) und einen gewissen strukturellen Wandel.

Der Maquiladora-Boom hat auch zu wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Problemen geführt. Aus dem Diagramm kann dies indirekt an der stark steigenden Bevölkerungszahl und der gleichzeitig sinkenden Beschäftigtenzahl abgeleitet werden.

Zur Entwicklung von Ciudad Juárez

Die Karte zeigt das immense Flächenwachstum von Ciudad Juárez in den letzten knapp 80 Jahren. Die ehemals unbedeutende Grenzstadt ist der Bevölkerung nach zur fünftgrößten Stadt Mexikos herangewachsen. Allein zwischen 1990 und 2010 stieg die Einwohnerzahl um 67 Prozent auf 1,3 Mio.; der Bevölkerung nach ist Ciudad Juárez heute etwa so groß wie München. Im gesamten Ballungsraum leben gut zwei Millionen Menschen.

Diese Ausbreitung der besiedelten Fläche erfolgte insbesondere entlang der Verkehrsachsen. Die Stadt konnte sich nur nach Süden ausdehnen, da sie im Norden von den USA begrenzt wird.

Der Río Bravo bzw. Rio Grande trennt Ciudad Juárez von der Zwillingsstadt El Paso in den USA. Auch wenn heute Ciudad Juárez die größere der beiden Städte ist, lag zunächst, bis 1950, El Paso bezüglich der Einwohnerzahl vorn. Die „vier C“ – Cattle, Cotton, Copper, Climate – galten als die wesentlichen Standortfaktoren. Mit der Prohibition in den USA während der 1920er-Jahre erfuhr dann aber Ciudad Juárez verstärktes Interesse; die Stadt wurde populär durch „Sex, Drugs and Crime“. In den 1940er-Jahren baute die US Army in El Paso eine große Militärbasis auf, was dazu führte, dass Prostitution und Handel in Ciudad Juárez noch zunahmen.

Seit den 1960er-Jahren haben sich Industriebetriebe in Ciudad Juárez angesiedelt. Diese nutzen die im Vergleich zu den USA und Kanada günstigen Lohnkosten und fertigen Produkte oder Teile für US-amerikanische Unternehmen. Sogenannte Maquiladora-Standorte wurden von der mexikanischen Regierung initiiert, um den Ballungsraum Mexiko City zu entlasten. Mittlerweile sind diese Industrien weiter gewachsen, da die mexikanischen Regierungen seit Anfang der 1980er-Jahre die Weltmarktintegration vorangetrieben haben, vor allem durch die Einbindung in die NAFTA. Ciudad Juárez weist mit knapp 200 000 Menschen eine der größten Beschäftigtenzahlen unter den Maquiladora-Standorten in Mexiko auf.

Zur Maquiladora-Wirtschaft

Maquiladora-Betriebe finden sich hauptsächlich in den nördlichen Bundesstaaten Mexikos. Diese Betriebe erledigen ausgegliederte Produktionsschritte, indem sie Teile weiterverarbeiten. Die meisten haben ihren Hauptsitz in den USA, gefolgt von Kanada. Die deutschen Direktinvestitionen stammen unter anderem von Siemens und Bosch.

Die wichtigsten Branchen sind, gemessen an der Beschäftigtenzahl, die Elektroindustrie sowie die Kraftfahrzeugindustrie. Der wichtigste Bereich der Elektroindustrie ist die Produktion von Fernsehapparaten. Einige Betriebe der Elektroindustrie beliefern auch die Kraftfahrzeugindustrie mit elektronischen Einzelteilen und Komponenten. Auf den ersten Blick erscheint dies wie eine wirtschaftliche Erfolgsgeschichte. Angesichts der Dominanz der Teileproduktion und des Fehlens von Entscheidungszentren gilt für Ciudad Juárez allerdings der Satz, dass, „wenn die Automobilhersteller einmal husten, die Zulieferer gleich eine schwere Grippe haben“. Jeder Nachfragerückgang in den USA führt zu Wachstumsschwächen in der mexikanischen Stadt. Bezeichnenderweise ist in Ciudad Juárez auch keine Entwicklung zu einer Dienstleistungsstadt zu erkennen.

Die wirtschaftlichen Schwerpunkte von El Paso auf US-amerikanischer Seite liegen im Dienstleistungsbereich. Zahlreiche Lkw transportieren Produkte aus der Maquiladora-Industrie in Mexiko nach El Paso, dort werden sie verteilt und zu den Abnehmern in den USA zur Weiterverarbeitung oder zum Verkauf abtransportiert.

Strukturelle und soziale Probleme

Neben der starken wirtschaftlichen Abhängigkeit von den USA weist Ciudad Juárez immense Probleme auf, die unter anderem auf das rasche Stadtwachstum zurückzuführen sind. Während sich dezentral Handelsstandorte herausbilden, verödet der alte Stadtkern. Die Stadt ist dadurch zu einer Agglomeration ohne ein eigentliches kulturelles oder funktionales Zentrum geworden. Es gibt eine Urbanisierung ohne Urbanität.

Die Infrastruktur für die Industrien erstellen zum großen Teil Entwicklungsgesellschaften der Industrieparks. Doch die Infrastruktur im öffentlichen Bereich weist aufgrund der geringen finanziellen Mittel der Stadtverwaltung gravierende Mängel auf: Fast die Hälfte der Straßen in Ciudad Juárez sind unbefestigt und in jedem sechsten Haushalt fehlt noch immer eine Abwasserentsorgung.

Ein riesiges Problem der Stadt stellt die Kriminalität dar. Als Reaktion darauf bauten die Betreiber der Maquiladorabetriebe ihre Standorte zu regelrechten Festungen aus und stellten ihren Mitarbeitern bewachte Wohnungen und gesicherte Beförderungsmittel zur Verfügung

Ökologische Probleme

Da Ciudad Juárez in einem ariden Gebiet nahe der Chihuahua-Wüste liegt (mehr als 2000 m über dem Meeresspiegel), können sich die Wasserressourcen durch natürliche Zuflüsse kaum erneuern. Es wird Grundwasser aus der Tiefe gepumpt. Gegenwärtig sinkt der Grundwasserspiegel im Einzugsbereich. Nach Prognosen könnten die Wasservorräte in naher Zukunft erschöpft sein.

Die Luft ist stark durch Schadstoffe belastet. Ciudad Juárez fehlen Grünflächen, was bedeutet, dass es keine Filterung der Schadstoffe durch Vegetation gibt. Die Luftqualität in Ciudad Juárez und El Paso ist mittlerweile die schlechteste aller Städte an der Grenze zwischen Mexiko und den USA und eine der schlechtesten in ganz Nordamerika. Da es praktisch keinen öffentlichen Nahverkehr gibt, ist das Pkw-Aufkommen immens. Weil auch einkommensschwache Bevölkerungsgruppen auf das Auto angewiesen sind, fahren sie überdurchschnittlich alte und entsprechend stark emittierende Fahrzeuge.

Die ökologischen Probleme resultieren daher weniger aus dem Umgang mit Umweltgesetzen in der Industrieproduktion – viele Betriebe haben sogar begonnen, Umweltzertifizierungen zu erlangen –, sondern vielmehr aus den Begleiterscheinungen der Industrialisierung und des ungeplanten Stadtwachstums.

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