Berlin - Innenstadt - 1932

Deutschland - Hauptstadt Berlin
978-3-14-100800-5 | Seite 39 | Abb. 3| Maßstab 1 : 50000

Überblick

Die Zeitreihenkarte zeigt die Veränderungen der Berliner Innenstadtbezirke am Beispiel der beiden traditionellen Stadtzentren – dem alten Stadtkern von Berlin-Ost und der City West in Charlottenburg – und anhand des seit 1990 neu entstandenen Zentrums am Potsdamer Platz. Sichtbar werden dabei die städtebaulichen Strukturen gesellschaftlich-politischer Systeme ebenso wie die Neuordnung des Verkehrssystems und die Spuren des wirtschaftlichen und politischen Wandels nach 1990.

Politik und Gesellschaft

1871 wurde Berlin Hauptstadt des Deutschen Kaiserreiches, später war es Hauptstadt der Weimarer Republik. Die Regierungsgebäude konzentrierten sich am Westrand des alten Stadtkerns. Einige dieser Gebäude wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört, andere wurden von der DDR-Regierung weiter genutzt oder waren nach der deutschen Teilung repräsentativen Zwecken vorbehalten (Reichstag). Das politische Zentrum von Berlin-Ost verlagerte sich in die Mitte des alten Stadtkerns.

Der politische Umbruch in der DDR führte am 9. November 1989 zunächst zur Öffnung der Mauer und wenig später, am 3. Oktober 1990, zur Wiedervereinigung Deutschlands und beider Stadthälften. Am 20. Juni 1991 beschloss der Deutsche Bundestag nach langen Kontroversen die Verlegung seines Sitzes nach Berlin und stellte damit die Weichen für die künftige Entwicklung der Stadt. Im Laufe der folgenden zehn Jahre wurde die volle Funktionsfähigkeit Berlins als Parlaments- und Regierungssitz erreicht. In dieser Periode wurde im alten Stadtkern ein neues Regierungszentrum aus Neubauten und alten Regierungsbauten der DDR aufgebaut.

Wirtschaft und Verkehr

Das alte Stadtzentrum in Berlin-Mitte war bis 1945 ein Banken- und Zeitungsviertel und ebenso wie die City-West ein Geschäftszentrum. Nach den unterschiedlichen Entwicklungen während der Teilung der Stadt setzte nach 1990 eine konkurrierende Entwicklung ein, die von verschiedenen Teilbranchen des Dienstleistungssektors bestimmt wird (v. a. Handel, Kultur, Hotel- und Gaststättengewerbe, Ansiedlung von Unternehmen und Institutionen) und zum Teil neue Stadtstrukturen hervorbringt. Der Dienstleistungssektor erweist sich gegenwärtig als prägend für die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt (s. 38.2).

Die traditionellen Verkehrsstrukturen waren 1945 zum großen Teil durch den Krieg zerstört worden, andere wurden 1961 durch die Teilung der Stadt unterbrochen. Nach 1961 wurden in beiden Stadtteilen voneinander weitgehend unabhängige Verkehrsstrukturen mit Fern-, U-, Straßenbahnen, Autobahnen und Flughäfen geschaffen. Nach 1990 wurden die Lücken vor allem im Bereich der ehemaligen Stadtgrenzen mit großem Aufwand wieder geschlossen. Kernstücke der Verkehrsinfrastruktur des heutigen Berlins sind der neue Hauptbahnhof auf dem Gelände des Lehrter Stadtbahnhofs sowie der gegenwärtig noch im Bau befindliche Großflughafen Berlin Brandenburg International.

Ost-West-Unterschiede

Die stark kriegszerstörte Innenstadt von Berlin-Ost wurde zwischen 1945 und 1989 nach Maßgaben des sozialistischen Städtebaus umgestaltet, Grundlage der Baumaßnahmen war der Generalbebauungsplan von 1968. Bestimmt wurde das Stadtbild vor allem durch Partei und Regierung, Kultur und Bildung, zum Teil aber auch durch Wohnbauten; das Geschäftszentrum verlagerte sich an den Alexanderplatz und in die Karl-Marx-Allee. Erst in den 1980er-Jahren setzte mit dem Neuaufbau des Nikolaiviertels und der Errichtung von mehreren „Devisenhotels“ eine stärkere Kommerzialisierung der City ein.

Der Citybereich von Berlin-West war traditionell vor allem Kultur-, Geschäfts- und Unterhaltungszentrum. Nach der Teilung der Stadt wuchs die City in Richtung des Kurfürstendamms, verbunden mit einem Funktionswandel in den bürgerlichen Altbauvierteln Charlottenburgs. Zum neuen Schwerpunkt wurden hier Geschäfte für den gehobenen Einzelhandel, Unterhaltungsstätten und Dienstleistungen, während die Nutzung als Wohnviertel rückläufig war. Mit dem weiträumigen Kulturforum entstand am östlichen Cityrand, in unmittelbarer Nähe großer Stadtbrachen, ein neues kulturelles Zentrum. Staatliche Einrichtungen und bestimmte Kulturstätten konzentrierten sich nicht in der City, sondern lagen über die gesamte Stadt verstreut.

Städtebauliche Entwicklung während der Teilung

Die Kriegszerstörungen und der Mauerbau waren für den Westteil der Stadt besondere Herausforderungen. Nach der Teilung 1961 orientierte sich die städtebauliche Entwicklung in Berlin-West nicht mehr, wie bis dahin, an den Verkehrsachsen der S-Bahn. Die neuen Industrie- und Wohngebiete entstanden vielmehr auf den noch freien Flächen zwischen den Trassen, einige Großwohnanlagen am „grünen“ Stadtrand. Die kriegsbedingten Zerstörungen wurden als Chance gesehen, die Stadt umzugestalten – hin zu einer „aufgelockerten Stadtlandschaft“. Dies wurde in einigen Teilen der Stadt auch umgesetzt.

Die Karte „um 1980“ zeigt für die City-West die Ergebnisse der stadtplanerischen Zielsetzungen und Entscheidungen, die nach der Teilung der Stadt in den 1960er-Jahren festgeschrieben wurden:

-die Bevölkerungsdichte in den Innenstadtbezirken zu verringern und andererseits dem erwarteten Zuwachs an Bevölkerung mit Wohnraum in den grünen Siedlungsgebieten am Stadtrand Rechnung zu tragen,

-die Wirtschaftskraft zu erhöhen,

-eine autogerechte Stadt zu schaffen.

Aufgrund dieser Ziele wurde unter anderem der Wandel der ehemaligen Wohngebiete um Zoo und Kurfürstendamm zu einem kommerziellen Zentrum forciert, das Kulturforum in der Nähe des Potsdamer Platzes errichtet, Großwohnsiedlungen am Stadtrand gebaut und eine umfassende Neuordnung des Straßennetzes vorgenommen. Durch die Ansiedlung von Bundesbehörden und den Ausbau zu einer bedeutenden Messe- und Kongressstadt gelang es in Berlin-West, den Verlust von Industriearbeitsplätzen teilweise zu kompensieren. In den 1980er-Jahren änderten sich die städtebaulichen Vorstellungen im Wohnungsbau. Es profilierten sich Innenstadtsanierung und anspruchsvoller innerstädtischer Neubau.

Obwohl die stadtplanerischen Entscheidungen in Berlin-Ost aufgrund der Verfügbarkeit des Umlandes vor einem ganz anderen Hintergrund getroffen wurden, gleichen sich die stadträumlichen Entwicklungen in erheblichem Maße: eine kompakte Stadt, Großwohnanlagen am Stadtrand, neue Industriegebiete entlang vorhandener Entwicklungsachsen, Altbausanierung und Wohnneubauten in der Innenstadt. Berlin-Ost wurde zur führenden Industriestadt, war Hauptstadt der DDR und vereinigte ein Fünftel des gesamten wissenschaftlichen Potenzials der DDR auf sich. Aufgrund des überdurchschnittlichen Bevölkerungswachstums stand im Wohnungsbau die Schaffung von Wohnungen für rund 700 000 Menschen im Vordergrund.

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