Bangalore (Indien) - Weltmarktintegration und Fragmentierung

Asien - Südasien - Vielfalt der Raumstrukturen
978-3-14-100800-5 | Seite 182 | Abb. 3| Maßstab 1 : 250000

Überblick

Die südindische Metropole Bangalore ist Hauptstadt des indischen Bundesstaats Karnataka. Sie hat sich in nur wenigen Jahrzehnten zu einem weltweit bedeutenden und global vernetzten Standort der Informations- und Kommunikationstechnologien entwickelt. Innerhalb Indiens nimmt Bangalore mit Konkurrenten wie Hyderabad oder Chennai eine Spitzenstellung ein. In der Stadt leben 8,4 Mio. Einwohner (Stand 2011).

Hightech-Hauptstadt Indiens

Die Grundsteine für den Aufstieg Bangalores zu Indiens „Electronic Capital“ wurden schon kurz nach der indischen Unabhängigkeit 1947 gelegt. In den 1950er- und 1960er-Jahren erfolgte die Ansiedlung großer Staatsunternehmen aus dem Maschinenbau, den Bereichen Luft-, Raumfahrt- und Rüstungstechnik sowie der Telekommunikation. Diese ließen sich überwiegend am Stadtrand im Nordwesten und Osten nieder. Gleichzeitig wurde der Ausbau renommierter Bildungs- und Forschungseinrichtungen forciert. Heute hat Bangalore allein elf Universitäten und Hochschulen mit IT-Schwerpunkt. Dieser Standortvorteil, die große Zahl an naturwissenschaftlich ausgebildeten, englischsprachigen und kostengünstigen Arbeitskräften und die Einrichtung von Technologieparks durch die indische Regierung leiteten ab Mitte der 1980er-Jahre einen Computer-Boom ein, der sich in den 1990er-Jahren noch verstärkte, da immer mehr Leitunternehmen und Marktführer der Branche nach Bangalore kamen; die ausländische Unternehmen wurden zudem mit vielfältigen Vergünstigungen angelockt. Das angenehme Klima der Stadt in 900 Metern Höhe und die soziale Stabilität waren weitere Pluspunkte.

Im Jahr 2012 zählte Bangalore mehr als 1500 Computer-Unternehmen; diese beschäftigen insgesamt etwa 180 000 Mitarbeiter, etwa so viele wie im Silicon Valley. Neben den Niederlassungen von Global Playern aus den westlichen Industriestaaten befinden sich in der Stadt auch die Zentralen vieler indischer Computerunternehmen. Schwerpunkte sind die Entwicklung von Software sowie andere wissens- und beratungsintensive IT-Dienstleistungen, jeweils mit Orientierung auf den Weltmarkt. Der wirtschaftliche Stellenwert wird von der Grafik rechts verdeutlicht. Sie zeigt sowohl das auf hohem Niveau stabile Wachstum der IT-Exporte als auch die besondere Stellung Bangalores innerhalb Indiens; auf die Stadt entfällt rund die Hälfte der indischen IT-Exporte.

In den letzten Jahren ist Bangalore auch zum Zentrum der Biotechnologie geworden; rund die Hälfte der indischen Unternehmen dieser Branche hat ihren Sitz in Bangalore. Schwerpunkt ist der Technologiepark Bommasandra im Nordwesten der Stadt.

Eher auf die Stärkung des verarbeitenden Gewerbes zielt die geplante Einrichtung einer Sonderwirtschaftszone zwischen Mumbai und Bangalore, in der der indische Staat schwerpunktmäßig die Infrastruktur ausbauen will (Energieversorgung, Häfen, Straßen, öffentlicher Verkehr, Wassermanagement) und eine Reihe neuer Städte errichten möchte.

Neue Raummuster

Der Aufstieg Bangalores zu Indiens Computerhauptstadt ging mit einem tief greifenden Umbau des städtischen Raumes und der Gesellschaft einher. Es entstanden Konzentrationsgebiete der IT-und Dienstleistungsbranchen in Bürohochhäusern der Innenstadt, in staatlichen Gewerbeparks wie der „Electronic City“ im Südosten Bangalores und zunehmend auch in Form von privaten Technologie- und Gewerbeparks wie dem „International Tech Park“ im Osten der Stadt. Die meisten dieser Parks liegen an großen, teilweise neu errichteten Ausfallstraßen. Im Jahr 2011 ging der erste Abschnitt eines Metronetzes in Betrieb.

In einiger Entfernung zum modernen Stadtzentrum liegen die Slumsiedlungen, in denen insgesamt etwa 1,5 Millionen Menschen leben. Trotz einiger erfolgreicher Sanierungsprogramme durch die Stadtverwaltung sind die sanitär-hygienischen Bedingungen und Lebensverhältnisse dort nach wie vor katastrophal. Die Säuglingssterblichkeit ist hoch, Analphabetismus, Erwerbslosigkeit, Hunger und Infektionskrankheiten sind weit verbreitet.

Gleichzeitig entstanden in den Wohngebieten der Ober- und Mittelschicht moderne Einkaufszentren und Multiplexkinos, in denen die schmale Schicht der Wohlhabenden einkauft. Die Eliten wohnen meist in abgeschlossenen Wohnanlagen mit eigener Wasserversorgung aus Tiefbrunnen, Notstromaggregaten und einem ganzen Stab von Service- und Sicherheitspersonal. Konsequenz dieses Strukturwandels sind verschärfte wirtschaftliche und sozialräumliche Disparitäten. Bangalore zeigt ein kleinräumig zersplittertes Raumnutzungsmuster aus unterschiedlich entwickelten funktionalen Raumfragmenten, die trotz geringer Distanz große Gegensätze aufweisen.

Verschärfung sozioökonomischer Ungleichheit

In der räumlichen Fragmentierung äußert sich die soziale und wirtschaftliche Ungleichheit, welche durch eine sich immer weiter öffnende Einkommensschere noch verschärft wird. Während die Gehälter in den modernen Dienstleistungssektoren steigen, stagnieren die Löhne in der informellen Ökonomie, wo die Mehrheit der städtischen Armutsbevölkerung arbeitet. Ihnen bleibt damit die Möglichkeit zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und am Fortschritt meist verwehrt.

Das Diagramm zeigt die ungleiche Verteilung von Wohlstand und Armut auch im Vergleich zu Indien. Dort ist die Mittelschicht insgesamt kleiner, der Anteil der armen Bevölkerung dagegen höher als in Bangalore. Dies belegt eine gewisse Breitenwirksamkeit des Wirtschaftsbooms. Es gibt immer mehr Menschen, denen es gelingt, der ärgsten Not zu entkommen und in die Mittelschicht aufzusteigen. Die neue Mittelschicht orientiert sich zunehmend an ressourcenintensiven Lebensstilen und an westlichen Konsummustern.

Das starke Wachstum Bangalores innerhalb weniger Jahre hat eine ganze Reihe von Problemen verschärft, deren Lösung über die wirtschaftliche Zukunft der Stadt mitentscheidet. Dazu zählen:

• überlastete Verkehrsmittel, verstopfte Straßen und lange Staus,

• die Übernutzung natürlicher Ressourcen wie Boden, Wasser und Luft,

• die mangelnde Versorgung ganzer Stadtteile der armen Bevölkerung mit Strom und Wasser,

• die verbreitete soziale Ungleichheit.

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