Aralsee (Zentralasien) - Landschaftswandel - 2018

Asien - Asien - Landwirtschaft und Landschaftswandel
978-3-14-100391-8 | Seite 103 | Abb. 3

Überblick

Das schleichende Verschwinden des Aralsees gilt als eine der größten von Menschen verursachten Umweltkatastrophen. Die Fläche des vor nicht langer Zeit noch viertgrößten Binnensees der Erde hat sich seit den 1960er-Jahren dramatisch verringert. Der See ist seit den späten 1990er-Jahren in zwei voneinander getrennte Becken geteilt: den nördlichen Kleinen Aralsee mit etwa 3000 km² (Zufluss ist der Syrdarja) und den südlichen Großen Aralsee, der zeitweise aus nur zwei Becken besteht, einem flachen östlichen und einem tieferen westlichen Becken (kein Zufluss mehr, früher floss bis hier der Amudarja). Der einstige Fischerort Muinak (heutige auch: Moynaq), in dem früher Tausende Menschen vom Fischfang und der Fischverarbeitung lebten, ist heute eine am Südrand der Salzwüste Aralkum gelegene Kleinstadt, mehr als 80 km vom See entfernt.

Ursachen und Folgen

Die unmittelbare Ursache für das Verschwinden des Aralsees war, dass über die beiden Flüsse Amudarja und Syrdarja statt der einstmals 56 km³ durchschnittlich nur noch 5 km³ Wasser in den See flossen. In den meisten Jahren erreichten sie den See gar nicht mehr. Der geringe Zufluss der beiden Flüsse ist auf die Bewässerung der Reis- und Baumwollfelder zurückzuführen. Hintergrund war der „Kalte Krieg“. Um vom (westlichen) Ausland unabhängig zu werden, beschloss die Führung der Sowjetunion in den frühen 1960er-Jahren, den Anbau von Reis und Baumwolle zu steigern. Da Reis und Baumwolle einen sehr hohen Wasserbedarf haben, in der Region aber kaum Niederschlag fällt (siehe Klimadiagramm von Chimboy/Tschimbai), musste ein riesiges Bewässerungssystem errichtet werden. Gespeist wurde dieses vom Wasser der beiden Flüsse. Zudem erhalten die beiden Flüsse aufgrund von abnehmenden Gletschermassen in den Gebirgen Tienshan und Alai, in denen ihre Quellen und Zuflüsse liegen, immer weniger Wasser. Da sich der Aralsee in einem Trockenraum mit hohen Sommertemperaturen befindet, ist die Verdunstung sehr groß. Die mittlere Jahresniederschlagssumme liegt regelmäßig unter 250 Millimetern. Die geringen Regenfälle reichen bei weitem nicht aus, die Verdunstungsverluste auszugleichen. Durch die Verdunstung des Wassers nahm der Salzgehalt im See zu. Der hohe Eintrag von Düngemitteln aus den bewässerten Ackerflächen verstärkte diesen Prozess. Die ehemaligen, heute trockengefallenen Seeflächen sind von ausgedehnten Salzflächen bedeckt. In Folge dessen kam es über dem freigelegten Seeboden verstärkt zur Auswehung von Sand und den abgelagerten Salzen. Seit Juni 2002 ist darüber hinaus die ehemalige Insel Wosroschdenije, zu sowjetischer Zeit ein Zentrum der Bio- und Chemiewaffenforschung, mit dem Festland verbunden. Statistisch belegt sind für die Region erhöhte Werte für Krebs- und Atemwegserkrankungen. Die 1960 noch vorhandenen Auenwälder in den Flussmündungen sind ganz verschwunden. Der Fischfang musste in den 1980er-Jahren eingestellt werden. In den noch vorhandenen Wasserflächen des Großen Aralsees sind kaum noch Fische zu finden.

Rettungsversuche

Während es Kasachstan gelang, durch den Bau eines Dammes am westlichen Ende des Kleinen Aralsees und aufgrund einer Verringerung der Wasserentnahme im Flussgebiet des Syrdarja das Austrocknen des nördlichen Teilsees zu verhindern und sogar die Fischindustrie in Aral (frühere Bezeichnung: Aralsk) wiederzubeleben, ist der südliche Teil des Sees, der ehemals Große Aralsee, dem Untergang geweiht. Zum einen wird immer noch zu viel Wasser aus dem Amudarja entnommen (die Entnahmewerte steigen sogar an, um die mittlerweile aufgrund jahrzehntelanger Bewässerung stark versalzenen Böden zu wässern), zum anderen ist der usbekische Staat mittlerweile mehr an den Einnahmen aus der Gasförderung interessiert, die in mehreren hundert Gasbohrtürmen auf dem ehemaligen Seegrund erwirtschaftet werden. Ein internationales Konsortium fördert hier seit Jahren erfolgreich Gas, die Reserven werden als äußerst ergiebig eingestuft. Ein Rettungsversuch in den Jahren 2011/2012, als ein Kanal gegraben wurde, der Wasser aus dem Amudarja wieder zum See bringen sollte (was aber misslang, das Wasser versickerte lange, bevor es den See erreichen konnte) wurde nur halbherzig angegangen. Die Entvölkerung der Region wird von den usbekischen Behörden hingenommen, die Regionalhauptstadt Nukus wird modern ausgebaut, um die Bevölkerung der Landgemeinden aufzunehmen.

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