Amazonien - Eingriffe in den tropischen Regenwald

Amerika - Südamerika - Regenwald
978-3-14-100770-1 | Seite 216 | Abb. 1| Maßstab 1 : 16000000

Informationen

Amazonien ist mit einer Fläche von etwa 5,8 Mio. km² das größte tropische Regenwaldgebiet der Erde. Es bedeckt rund ein Fünftel der Landfläche Südamerikas, wobei rund 75 Prozent auf Brasilien entfallen; das letzte Viertel verteilt sich auf die Nachbarländer Bolivien, Kolumbien, Ecuador und Peru. Amazonien ist die Heimat einer außerordentlich reichen und vielgestaltigen Flora und Fauna und zudem für das Ökosystem Erde, insbesondere für das Weltklima, von entscheidender Bedeutung. Bedroht wird die Region insbesondere seit den 1970er-Jahren durch die massiven, teils legalen, teils illegalen Rodungen, die in den letzten Jahren immer weiter fortgeschritten sind, obwohl ihre ökologischen Risiken außer Frage stehen.

Anfänge der Erschließung
Im Süden des Kartenausschnittes geht die Zone der tropischen Regenwälder in die Zone der Feuchtsavanne über. Beide Zonen sind aufgrund ihrer natürlichen und klimatischen Bedingungen hervorragend für die landwirtschaftliche Nutzung geeignet und wurden deshalb durch anthropogene Nutzung bereits sehr stark verändert und umgestaltet.
Die wirtschaftliche Ausbeutung Amazoniens begann in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit der Gewinnung von Kautschuk. Ihre zerstörerische Dynamik entfaltete sie aber erst ab etwa 1970, als mit dem Bau einer durch das südliche Amazonien führenden Fernverkehrsstraße, der "Transamazônica", begonnen wurde, die später durch weitere Fernstraßen ergänzt wurde. Gefördert von der brasilianischen Regierung, wurde in den 1970er-Jahren im Bundesstaat Pará zwischen Altamira und Itaituba eine "Ruropolis" erschlossen. Dieses Projekt hatte das Ziel, beiderseits der Transamazônica einen je 100 Kilometer breiten Landstreifen landwirtschaftlich zu durchdringen. Jeder Siedler, der sich an dem Kolonisierungsprojekt beteiligte, erhielt auf Kreditbasis 100 Hektar Land, ein einfaches Holzhaus, Werkzeuge und Saatgut, um etwa 50 Prozent der ihm übertragenen Fläche zu roden und zu bewirtschaften. Ähnliches galt auch für die beiden Zonen, die an diese kleinbäuerlichen Betriebsareale im Hinterland der Transamazônica anschlossen. Hier wurden Mittelbetriebe größerer Flächen eingerichtet.
Etwa 100 000 Familien sollten auf diese Weise angesiedelt werden, aber nur etwa 7000 beteiligten sich an diesem gewagten Unternehmen. Das Projekt scheiterte schließlich mehr oder minder, weil die Zahl der Abwanderer, die Amazonien wieder den Rücken kehrten, schon bald die der Zuwanderer übertraf. Ursachen des Misserfolgs waren zum Teil die unzureichenden Erfahrungen der Kolonisten mit der feuchttropischen Landwirtschaft, aber auch organisatorische Mängel, etwa kaum funktionierende Kooperativen und fehlende Absatzmöglichkeiten.

Ausweitung der Rodungsflächen
Auch wenn dieses eine Projekt scheiterte, kam es in den folgenden Jahren mit Unterstützung der Regierung zu weitflächigen Waldrodungen in den Randgebieten Amazoniens und längs der neu angelegten Straßentrassen. Viele dieser Rodungen wurden durch Agrarkolonisten durchgeführt, die neue Landflächen für den landwirtschaftlichen Anbau oder die extensive Rinderzucht gewinnen wollten. Eine Hauptrolle spielte dabei in den letzten Jahren zum einen die Ausweitung der Anbauflächen für Soja, das als Kraftfutter in der Rinder- undSchweinemast, zunehmend aber auch als Grundlage für Energierohstoffe verwendet wird, zum anderen der Boom von Biokraftstoffen, weil die zu deren Produktion benötigte pflanzliche Biomasse, vor allem Zuckerrohr, aber auch Soja, unter tropischen und subtropischen Bedingungen gut gedeiht.
Ein weiteres wirtschaftliches Motiv war die Holzgewinnung, insbesondere die von Mahagoni, einem Hartholz von großer Haltbarkeit, das in den Industrieländern sowohl im Fester- und Türen- als auch im Möbelbau eine starke Verbreitung fand. Im Laufe der Zeit beteiligten sich weit mehr als 2000 Holzunternehmen, überwiegend ausländischer Herkunft, an der Ausbeutung des Tropenwaldes. Auch wenn Mahagoni-Holz inzwischen gesetzlich geschützt ist, geht der illegale Einschlag im großen Maßstab weiter.
Als eine dritte entscheidende Ursache für die Zerstörung der tropischen und subtropischen Wälder erwies sich ihr außergewöhnlicher Reichtum an Bodenschätzen. Durch die Entdeckung und bergbauliche Erschließung riesiger Eisenerzvorkommen und bedeutender Lagerstätten beispielsweise von Gold, Zinn, Asbest, Bauxit und Erdöl schritten die Eingriffe in den Regenwaldbestand immer weiter voran.
Allein in den Jahren 2005 und 2006 wurde in Brasilien ein Gebiet von der Größe Nordrhein-Westfalens abgeholzt. Diese großräumigen Rodungen haben dazu geführt, dass das Land Ende 2006 etwa 13 Prozent seiner ursprünglichen Regenwälder bereits verloren hatte. Im Bundesstaat Mato Grosso waren 1975 etwa 1 Prozent der Landfläche von den Rodungen betroffen, 1980 waren es bereits mehr als 6 Prozent, heute ist mehr als die Hälfte der ursprünglichen Regenwaldflächen Weide- und Ackerland gewichen. Ähnlich liegen die Verhältnisse in den Bundesstaaten Pará, Rondônia und Maranhão. In den Bundesstaaten Amazonien und Amapá ist der Waldanteil hingegen noch immer relativ groß.
K. Kremb

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