Afrika nördlicher Teil - Wirtschaft

Afrika - Afrika nördlicher Teil - Wirtschaft
978-3-14-100803-6 | Seite 158 | Abb. 1| Maßstab 1 : 16000000

Überblick

Die Übersichtskarte der wirtschaftlichen Aktivitäten im nördlichen Teil Afrikas lässt erkennen, dass die Ökonomie in dieser Region im Wesentlichen auf der Ausbeutung von Rohstoffen und der Landwirtschaft beruht. Die Industrie spielt nur in wenigen Gebieten eine Rolle (siehe die großen Küstenstädte in Nordafrika bzw. Westafrika); hinsichtlich der Branchenstruktur dominieren dort bestimmte Industrien wie die Verarbeitung von Nahrungsmitteln oder die Erdölchemie, die jeweils eine regionale Rohstoffbasis haben.

Bei der Landwirtschaft zeigt sich eine zonale Anordnung, die den Klima- und Vegetationszonen bzw. den Höhenstufen entspricht (Ausnahme: Oasen). Bergbauliche Aktivitäten gibt es punktuell, ohne ausgeprägte Schwerpunkte, abgesehen von den relativ bedeutenden Erdöl- und Erdgaslagerstätten in Algerien, Libyen und Nigeria.

Im Kartenbild nicht dargestellt werden kann der informelle Sektor, dessen Existenz zwar auf strukturelle Probleme schließen lässt, der jedoch für die lokale Wirtschaft, Arbeitsplätze und die Einkommenssituation in vielen Staaten Afrikas große Bedeutung hat. Schätzungen besagen, dass in weiten Teilen Afrikas die Hälfte der arbeitenden Bevölkerung oder sogar mehr im informellen Sektor tätig ist.

Landwirtschaft in Nordafrika

Die landwirtschaftliche Nutzung lässt die Großgliederung des Raumes in den mediterranen Saum Afrikas, in die Atlasketten, die Sahara, die Sahelzone, die Sudanzone und die Regenwaldgebiete am Golf von Guinea erkennen. Weizenanbau, Weinbau, Obst- und Olivenkulturen dominieren in den Ebenen des humiden bis semiariden Nordafrika. Die Gebirge tragen noch Reste mediterraner Wälder, die Hochflächen und mittleren Lagen sind einbezogen in die Weidewirtschaft.

In Libyen, wo mehr als 85 Prozent der Landesfläche aus Wüste bestehen, ist ein landwirtschaftlicher Anbau nur auf kleinen Teilen der Landesfläche möglich; die wichtigsten Anbaufrüchte sind Weizen und Gerste, Gemüse (vor allem Tomaten), Obst und Oliven. Da es in Libyen keinen einzigen Fluss gibt, der das ganze Jahr über Wasser führt, könnte das Land unter natürlichen Umständen kaum ausreichend Lebensmittel produzieren, um die eigene Bevölkerung zu versorgen. Um die Anbauflächen zu vergrößern, wird im Rahmen des Bewässerungsprojekts „Großer künstlicher Fluss“ seit Mitte der 1980er-Jahre fossiles Grundwasser durch Rohrleitungen aus den südlichen Landesteilen in die Küstenregionen geleitet.

In der Sahara und in ihren Randgebieten existiert trotz weitgehender Sesshaftigkeit der Bevölkerung noch eine halbnomadische Weidewirtschaft. Die Wandergebiete reichen bis in die mediterranen Steppen bzw. in die Sahel-Sudanzone Westafrikas. Während in Nordafrika die wirtschaftliche Bedeutung der Wanderweidewirtschaft gering ist, besitzt sie in Westafrika noch immer einen erheblichen Stellenwert für die Fleischversorgung und die Produktion von Häuten.

Die wichtigsten Standorte für die agrarische Nutzung der Wüsten sind die Oasen. Das noch vor Jahrzehnten prognostizierte „Oasensterben“ ist nicht eingetreten, vielmehr hat der Zwang zur Steigerung der Nahrungsmittelproduktion bei Datteln, Getreide und Gemüse in allen Ländern der Sahara zu einem Ausbau der Landwirtschaft in Oasen geführt. Der Expansion der Bewässerungsflächen stehen aber Verluste durch Versalzung und Versandung gegenüber, sodass insgesamt bei starkem Bevölkerungswachstum die Nahrungsmittelversorgung der Länder Nordafrikas prekär bleibt und viele nach wie vor auf Nahrungsmittelimporte angewiesen sind.

Gleiches trifft für die Länder der Sahelzone zu. In dieser Kontaktzone der Lebensräume von Halbnomaden und Ackerbauern besteht ein erhebliches ökologisches Risiko durch Niederschlagsschwankungen und episodische Dürren. Flächenmäßig dominiert in der Zone der Dornstrauchsavannen die halbnomadische Weidewirtschaft, wobei die Fulbe-Rinderhirten die bedeutendste Gruppe stellen.

Die steigenden Zahlen an Rindern, Ziegen und Schafen, die ein Resultat des Bevölkerungswachstums, der steigenden Fleischnachfrage in den Städten, aber auch mancherorts der Wasserversorgung darstellen, sind eine der Ursachen für die fortschreitende Desertifikation. Eine andere Ursache ist die Ausdehnung des Ackerbaus in regenreichen Jahren bis weit über die agronomische Trockengrenze hinaus. Auch die Abholzung zur Brennholzgewinnung vernichtet flächenhaft die Baum- und Buschbestände und leistet dadurch der „Verwüstung“ Vorschub.

Verstreut gibt es in Nordafrika einige Bewässerungsgebiete, zum Beispiel entlang des Senegalflusses, im Binnendelta des Niger oder im zentralen Sudan. Unmittelbar südlich der Sahelzone erstrecken sich in der Sudanzone wichtige landwirtschaftliche Siedlungs- und Produktionsgebiete vom Senegal bis in den Sudan. Aus dieser Zone drängt die Bevölkerung in regenreichen Jahren nach Norden in die Dornsavanne, wobei sie den Anbau in Altdünengebiete ausdehnt. In niederschlagsarmen Jahren werden diese Bereiche durch Winderosion zerstört und unbewohnbar. Deshalb besteht eine allgemeine Wanderungstendenz der Bevölkerung nach Süden in die Feuchtsavanne bzw. in die Regenwaldgebiete, dort insbesondere in die Küstenmetropolen (entweder als Wanderarbeiter oder zur Daueransiedlung). Infolge von Verarmung ist aber auch eine Rückwanderung aus den Städten in den ländlichen Raum zu verzeichnen.

Die Trockensavannen Westafrikas gehören zu den wichtigsten Hirse-, Erdnuss- und Baumwollanbaugebieten des Kontinents. Ausgehend von den Konzentrationen bäuerlicher Bevölkerung in den alten Reichen der Sudanzone hat sich der Erdnuss- und Baumwollanbau seit der Kolonialzeit zu einem wichtigen landwirtschaftlichen Erwerbszweig entwickelt. Heute stehen die Länder der Sahel-Sudanzone allerdings vor dem Problem der Exportabhängigkeit – zumal sie auf dem Weltmarkt mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen konkurrieren müssen, die von den reichen Industrienationen in starkem Umfang subventioniert werden. Die starken Schwankungen des Weltmarktpreises zum Beispiel für Baumwolle sind für exportabhängige Länder wie Mali ein gravierendes Problem.

Die Situation hinsichtlich Nahrungsmittelversorgung und Exportproduktion stellt sich in den Küstenstaaten Afrikas, die über Anteile an der Feuchtsavanne oder am tropischen Regenwald verfügen, meist etwas günstiger dar. Hier dominieren Mais, Yams, Maniok, Kochbanane und Reis als Nahrungsmittel. Als ölliefernde Pflanzen stehen der Schibutterbaum und die Ölpalme zur Verfügung. Baumwolle bzw. Kaffee, Kakao und Palmöl sind wichtige Exportprodukte, seit einiger Zeit werden sie auch (wieder) durch Kautschuk ergänzt. In Westafrika bedeckt der tropische Regenwald nur noch in Liberia große Flächen.

Das äthiopische Hochland weist deutliche Höhenstufen der Nutzung auf, die überlagert werden vom Gegensatz zwischen Feuchtgebieten im Süden und dürregefährdeten Trockengebieten im Norden des Landes. Während im wüstenhaften Tiefland noch immer eine nomadische Lebensweise vorherrscht, wird das Hochland in den zentralen und nördlichen Teilen durch den Anbau von Getreide geprägt, das hier als Grundnahrungsmittel dient. Im südlichen Hochland liegt das bedeutendste Kaffeeanbaugebiet Afrikas.

Bergbau, Industrie und Energie

Die Netze der Erdöl- und Erdgasleitungen in Nordafrika, Sudan und Nigeria sowie die zahlreichen Symbole für Lagerstätten, Erdölraffinerien und Standorte der Chemischen Industrie lassen die erstrangige Bedeutung dieser Wirtschaftszweige für die Volkswirtschaft erahnen. Die nordafrikanischen Staaten gehören mit Nigeria, dem größten Erdöllieferanten Afrikas, zur Gruppe der „Erdöl exportierenden Länder“. Diese Staaten haben bereits eine volkswirtschaftlich bedeutende Industrialisierung von der Grundstoff- bis zur Konsumgüterindustrie erreicht.

Im ressourcenreichen Marokko, das über zwei Drittel der bekannten Weltreserven an Phosphaten verfügt, hat die Industrialisierung mit der Phosphaterzeugung begonnen. Zu den Bodenschätzen Marokkos zählen außerdem Steinkohle, Erdöl und Erdgas sowie Blei-, Kupfer- und Eisenerze. Wichtige Industriezweige sind die Metallverarbeitung, die chemische Industrie sowie die Nahrungsmittel- und Textilindustrie. Für den Export werden außer Zitrusfrüchten, diversen Gemüsesorten und Wein vor allem Korkeichen angebaut. Ein weiterer wichtiger Wirtschaftszweig ist der Tourismus, der etwa ein Drittel der Devisenerlöse erbringt.

An Bedeutung gewonnen hat der Dienstleistungsbereich. Überdies ist Marokko bestrebt, seine geographischen Standortvorteile zu nutzen und sich durch die Schaffung einer entsprechenden Infrastruktur – Ausbau des Straßennetzes, Bau eines Tiefseehafens bei Tanger (2008) – als logistische Drehscheibe für den Handel zwischen Europa und Afrika zu etablieren.

Ein weiteres strategisches Ziel ist die Verringerung der Abhängigkeit von Energieimporten. Im Rahmen des Projekts „Desertec“ werden in Tunesien, Algerien und Marokko Windparks, Solaranlagen und Stromtrassen geplant.

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