Internationale Migration – Trends, Chancen und Herausforderungen
Autoren:
Farida Hassan
Studentin des Masterstudiengangs „Internationale Beziehungen“ an der Hertie School of Governance, Berlin
Dr. Martin Geiger
Assistant Professor an der Carleton University (Ottawa, Kanada), Thema: Migrationspolitik
Migration gab es schon immer. Angesichts der im letzten Jahr stark angestiegenen Zahl der Flüchtlinge ist das Thema jedoch erneut hoch aktuell. Welche Formen der Migration lassen sich unterscheiden? Und wie erklären sich internationale Wanderungen? Diesen Fragen wird im Folgenden nachgegangen. Zudem werden anhand von drei Fallbeispielen unterschiedliche Formen der Migration untersucht.
Ausgehend vom staatlichen Territorialprinzip lassen sich zwei Hauptformen der Migration unterscheiden:- Internationale Migration: Die Wohnortverlagerung findet über die Grenzen souveräner Staaten hinweg statt.
- Binnenmigration: Wohnortverlagerung innerhalb der Grenzen eines Territorial bzw. Nationalstaats.
In der internationalen Politik bildete sich in den vergangenen Jahrzehnten ein Konsens, Migration erst dann als permanent zu werten, wenn die Wohnortverlagerung einer Person mindestens ein Jahr Bestand hatte. Wurde die Verlagerung weniger als zwölf Monate aufrechterhalten, wird von temporärer Migration gesprochen. Ein Ortswechsel von einer Dauer bis zu drei Monaten gilt als internationale Mobilität. Viele Staaten weichen jedoch von diesen Unterscheidungen ab und halten weiterhin an eigenen Definitionen und Differenzierungen fest. Neben den oben genannten distanz- und zeitbezogenen Differenzierungen werden Migrationsvorgänge auch nach dem Grad ihrer (Un-)Freiwilligkeit, ihrer politischen, gesellschaftlichen oder auch naturräumlichen Beeinflussung oder nach anderen zugrundeliegenden Motiven differenziert: Arbeitsmigration ist die Ein- und Auswanderung von Menschen zur Aufnahme einer oft unselbstständigen Erwerbstätigkeit. Zwangsmigration bezeichnet Migration die sich alternativlos aus politischen, ethnonationalen, rassistischen oder religiösen Gründen und Zwängen heraus ergibt (Flucht, Vertreibung, Deportation, Umsiedlung). Dazu zählen auch Flüchtlinge, die sich laut Genfer Flüchtlingskonvention aus Furcht vor Verfolgung aufgrund ihrer Ethnie, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Überzeugung außerhalb ihres Herkunftslandes befinden und dessen Schutz nicht in Anspruch nehmen können.
Fallbeispiel: Türkei
Viele türkische Staatsangehörige zog es einst als „Gastarbeiter“ nach Europa. Zwischen 1961 und 1973 fanden von ihnen allein rund 750 000 in Westdeutschland eine neue Heimat. Trotz eines Anwerbestopps vollzog sich seit den 1970er-Jahren weiterhin Migration – über den Weg des Familiennachzugs und des politischen Asyls. In Deutschland und der EU entstand eine bedeutende türkische Auslandsgemeinschaft (Diaspora). Mittlerweile ist die Türkei selbst zu einem Aufnahme- und Transitland von Flüchtlingen und Migranten geworden. Gründe hierfür sind die wiederholten Kriegshandlungen im Nahen und Mittleren Osten (aktuell Syrien und weiterhin Irak), der wirtschaftliche Aufstieg der Türkei und ihre direkte Nachbarschaftslage zur EU. Das Land entlang der östlichen Mittelmeerroute ist einer der Brennpunkte der sogenannten Flüchtlingskrise und der irregulären Migration. 2015 gelangten schätzungsweise 885 000 Migranten über die Türkei nach Europa und damit fast 17-mal so viele wie noch 2014. Bei den meisten dieser sogenannten Transitmigranten handelte es sich um syrische, afghanische, irakische oder somalische Staatsangehörige.
Fallbeispiel: Philippinen
Seit den 1970er-Jahren wird die Emigration durch die philippinische Regierung mittels eines gut organisierten Systems zur Entsendung von Arbeitskräften gesteuert. Zunächst war es der Bauboom im Nahen Osten, der dazu führte, dass die ölreichen Golfstaaten die benötigten Arbeitskräfte vor allem in Asien, bevorzugt in den Philippinen, rekrutierten (s. Diercke 2015, S. 167.3). Der wirtschaftliche Aufstieg der ost- und südostasiatischen „Tigerstaaten“ in den 1980er- Jahren bewirkte in den Philippinen und in anderen asiatischen Nachbarschaften einen weiteren Anstieg der Arbeitsemigration. Die philippinische Auslandsdiaspora erstreckt sich mittlerweile über die ganze Erde, 10,2 Millionen Menschen gehören ihr an, dies entspricht etwa 10 % der Bevölkerung der Philippinen. Migration gab es schon immer. Angesichts der im letzten Jahr stark angestiegenen Zahl der Flüchtlinge ist das Thema jedoch erneut hoch aktuell. Welche Formen der Migration lassen sich unterscheiden? Und wie erklären sich internationale Wanderungen? Diesen Fragen wird im Folgenden nachgegangen. Zudem werden anhand von drei Fallbeispielen unterschiedliche Formen der Migration untersucht. Farida Hassan Studentin des Masterstudiengangs „Internationale Beziehungen“ an der Hertie School of Governance, Berlin Dr. Martin Geiger Assistant Professor an der arleton University (Ottawa, Kanada), Temporäre oder zirkuläre Arbeitsmigration ist ein wesentlicher Bestandteil der Entwicklungspolitik der Philippinen. Diese zielt darauf, durch geregelte Arbeitsmigration den heimischen Arbeitsmarkt zu entlasten und zugleich mittels Rücküberweisungen die nationale Zahlungsbilanz zu verbessern, die philippinische Währung stabil zu halten sowie Mittel für Investitionen zu sichern. In den vergangenen Jahren machten Rücküberweisungen, also Gelder, die ausgewanderte Staatsangehörige und ihre Nachkommen ins Herkunftsland schicken, etwa 10 % des ruttoinlandprodukts aus und erreichten damit ein höheres Volumen als ausländische Direktinvestitionen und offizielle Entwicklungshilfezahlungen.
Fallbeispiel: Mexiko
Im Jahr 2015 belief sich die Zahl mexikanischer Bürger, die sich im Ausland aufhielten, auf mehr als 12 Millionen. Damit lag Mexiko weltweit, hinter Indien, auf Platz zwei der Länder mit den meisten Auswanderern. Die überwiegende Mehrheit lebt in den USA, Kanada, Spanien und Deutschland. Lange Zeit beschäftigte sich Mexikos Migrationspolitik einzig mit der Auswanderung in die USA. Mittlerweile sind allerdings auch die Transitmigration und die Immigration nach Mexiko selbst zu wichtigen Themen geworden. Gerade die Transitmigration aus Mittelund Südamerika in Richtung der USA hat deutlich zugenommen. 2014 nahmen US-Grenzschützer nicht mehr mexikanische Migranten bei illegalen Grenzüberschritten fest als mexikanische Staatsangehörige. Die Transitwanderer stammen vor allem aus dem sogenannten „nördlichen Dreieck“ (Honduras, Guatemala und El Salvador). Seit 2012 ist neben einem Zuwachs der irregulären Migranten aus Mittelamerika auch ein signifikanter Anstieg der illegalen Einreiseversuche von unbegleiteten Minderjährigen beobachtet worden. Die wachsende Bedeutung Mexikos als Transitstation auf dem Weg in die USA ist vor allem auf die zunehmende Gewalt des organisierten Drogenhandels in den Herkunftsländern und den Kampf dagegen zurückzuführen. Auch sind Armut und Perspektivlosigkeit sowie der Wunsch nach Zusammenführung mit bereits im Ausland lebenden Familienmitgliedern Ursachen für eine steigende Abwanderung. Mit finanzieller und technischer Unterstützung der USA setzt Mexiko mittlerweile auf eine verstärkte Kontrolle seiner eigenen Grenzen. Besonders die Inhaftnahme von (oft minderjährigen) Transitmigranten wurde durch Menschenrechtsorganisationen wiederholt scharf kritisiert.
Literatur:
Abrigo, M.: Country Profile 28-Philippines 2014. IMIS Country Profiles. Osnabrück 2014. Aydın, Y.: The Germany-Turkey Migration Corridor: Refitting Policies for a Transnational Age. Washington, DC 2016. Chishti, M./Hipsman, F.: Increased Central American Migration to the United States may prove an enduring phenomenon. Washington, DC 2016. Commission on Filipinos Overseas: Statistics. 2016. (http://www.cfo.gov.ph/index.php?option=com_content&view=category&id=134&Itemid=814) de Lange, N./Geiger, M./Hanewinkel, V./Pott, A.: Bevölkerungsgeographie. Paderborn 2014. Frontex: Eastern Mediterranean Route. 2016. (http://frontex.europa.eu/trends-and-routes/eastern-mediterranean-route/